Überblick der datenbasierten Bewertungsmethoden
Hier ein kurzer Überblick über die verschiedenen Methoden zur Bewertung der Spielerleistung im Fußball. Diese Übersicht ist nicht vollständig, zeigt aber meiner Meinung nach die beiden wesentlichen Bewertungsmodelle, die ohne Positionsdaten auskommen.
Top-down Bewertung
Top-down-Bewertungen, insbesondere die Plus-Minus-Modelle, messen den Einfluss eines Spielers, indem sie die Leistung des Teams mit und ohne diesen Spieler vergleichen. Diese Methode wurde ursprünglich in Sportarten wie Basketball und Eishockey eingesetzt und findet nun auch im Fußball Anwendung. Das Prinzip ist simpel: Wenn ein Spieler auf dem Feld steht, wie verändert sich dann die Tordifferenz seiner Mannschaft im Vergleich zu den Minuten, in denen er nicht spielt? Diesen Ansatz kann man noch weiter verfeinern und verbessern, aber der Ansatz bleibt derselbe.
Eine Variante dieses Modells bezieht zum Beispiel auch erwartete Tore (xG) und erwartete Punkte (xP) mit ein. Dabei wird nicht nur berücksichtigt, ob ein Tor erzielt wurde, sondern auch, wie wahrscheinlich es war, dass ein bestimmter Schuss zu einem Tor führt. Diese erweiterten Modelle nutzen verschiedene Schusskategorien und Faktoren wie die Fähigkeiten des Torhüters und die Spielsituation.
Top-Down-Modelle sind nützlich, da sie auf wenigen Informationen basieren und auch auf Ligen anwendbar sind, in denen keine detaillierten Event- oder Trackingdaten erhoben werden (Niedrigere Spielklasse / Amateurbereich / Jugendbereich). Allerdings haben sie einige Einschränkungen:
Sie können keine Rückschlüsse auf einzelne Aktionen eines Spielers ziehen. Wir wissen also nicht, warum Spieler XY ein gutes oder schlechtes Rating hat.
Der Heimvorteil wird oft als konstanter Faktor berücksichtigt, was die Ergebnisse verfälschen kann.
Langzeitdatensätze berücksichtigen nicht immer Veränderungen in der individuellen Spielerleistung, wie Verletzungen oder Anpassungsschwierigkeiten nach Transfers.
Die Bewertung von Spielern, die nur kurzzeitig auf dem Feld stehen, kann ungenau sein, da die Stichprobe zu klein ist.
Da die Spieler abhängig von der Leistung ihrer Teamkollegen bewertet werden, kann es zu Verzerrungen kommen, wenn ein Spieler in einem starken Team spielt, aber selbst nur durchschnittliche Leistungen bringt.
Einen Überblick über Plus-Minus Modelle kannst du hier finden: A comprehensive review of plus-minus ratings for evaluating individual players in team sports
Vor allem Lars Magnus Hvattum hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Plus-Minus-Modelle im Fußball beschäftigt und einige interessante Ansätze entwickelt. Weitere Informationen findest du auf seinem YouTube Kanal: Football Player Ratings
Bottom-up Bewertung
Die Bewertung der Spielerleistung im Fußball hat sich im Laufe der Zeit erheblich weiterentwickelt. Verschiedene Modelle und Ansätze wurden entwickelt, um die Effektivität einzelner Aktionen und Spieler zu messen. Ein zentraler Aspekt dieser Bewertung ist die sogenannte Bottom-up-Bewertung, die darauf abzielt, den Beitrag jeder einzelnen Aktion zur Gesamtleistung eines Teams zu quantifizieren. Es gibt viele verschiedene Studien, die versuchen, die Leistungsparameter für erfolgreiches Fußballspielen zu identifizieren. Beispielhaft seien hier McHale, Scarf und Folker (2012) genannt.
Bewertungsindex
McHale, Scarf und Folker (2012) entwickelten einen umfassenden Bewertungsindex, der verschiedene Subindizes umfasst. Anders als frühere Plus-Minus-Modelle berücksichtigt dieser Ansatz spezifische Spielstatistiken. Zu den einbezogenen Parametern zählen Flanken, Dribblings, Pässe, abgefangene Bälle, gelbe und rote Karten des Gegners, das Verhältnis gewonnener Zweikämpfe und Befreiungsschläge. Die Korrelationen dieser Parameter mit Torschüssen wurden berechnet, um ihre Gewichtung zu bestimmen. Zusammen mit anderen Subindizes wie Spielbeteiligung, erzielten Toren und Vorlagen sowie Spielen ohne Gegentor wurden die Spieler der Premier League 2008-2009 bewertet. Modernere Ansätze gehen jedoch weiter und berücksichtigen auch die Qualität der Aktionen, nicht nur die Quantität.
Der Einfluss einer Aktion
Der zentrale Gedanke bei der Bewertung von Aktionen ist zu verstehen, wie eine Aktion die Wahrscheinlichkeit erhöht
oder verringert, dass ein Team ein Tor erzielt.
Ein bekanntes Maß hierfür ist „Expected Goals“ (xG), das die
Wahrscheinlichkeit eines Tors bei einem Schuss bewertet. Dieses Prinzip lässt sich auf andere Aktionen übertragen,
wobei die Herausforderung darin besteht, die komplexen Zusammenhänge und den Kontext jeder Aktion zu berücksichtigen.
Für andere Aktionen, wie Pässe oder Dribblings, ist die Bewertung schwieriger. Ein Pass, der einen Stürmer in eine gute Position bringt, ist wertvoller als ein Pass in eine gut verteidigte Zone, auch wenn beide Pässe ähnliche Start- und Endkoordinaten haben können. Um diese Unterschiede zu bewerten, wurden verschiedene Modelle und Methoden entwickelt, die oft maschinelles Lernen einsetzen.
Markov-Ketten
Sarah Rudd (2011) führte einen innovativen Ansatz ein, indem sie Markov-Ketten nutzte, um die Wahrscheinlichkeit eines
Tores mit bestimmten Zuständen auf dem Spielfeld zu verknüpfen
(Hier ist ihr Vortrag). Sie unterteilte das Spielfeld in sechs Zonen,
wobei der Ballbesitz in einer Zone als Zustand betrachtet wurde. Anhand von Eventdaten aus 123 Premier League-Spielen
berechnete sie die Wahrscheinlichkeiten für Zustandswechsel, wobei Standardsituationen in zusätzliche Zustände
unterteilt wurden. Das Modell berücksichtigt, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Tor von der aktuellen Spielfeldposition
abhängt und nicht von vergangenen Zuständen. Diese Methode ermöglicht es, jede Aktion eines Spielers, die eine
Zustandsänderung herbeiführt, zu bewerten.
Aktionsbasiert: xGChain und xGBuildup
Lawrence (2018) berechnet xGChain und xGBuildup, indem er den Erfolg einer Sequenz aufsummiert und auf die beteiligten Spieler verteilt. xGChain (xGC) ist eine Metrik zur Bewertung von Spieleraktionen im Fußball. Es werden alle xG-Werte (Expected Goals) einer Ballbesitzkette, die mit einem Schuss enden, aufsummiert. Der Wert jeder Angriffskette wird auf alle beteiligten Spieler verteilt. Eine Ballbesitzkette ist eine Sequenz von Ereignissen, bei der das gleiche Team durchgehend die Kontrolle über den Ball hat.
Fußball ist ein dynamisches Spiel, und die Torgefahr ergibt sich unter anderem daraus, wie der Ball bewegt wird und nicht nur daraus, wo er sich befindet. (Ein lang geschlagener Ball, der sich in der Nähe des gegnerischen Tores befindet, ist noch lange keine Torgefahr.) Ein Pass hat nicht nur wegen seines Endpunkts einen bestimmten Wert, sondern auch, weil er die Verteidigung verschiebt. Flügelwechsel, die den Ball nicht nach vorne bringen, sollten trotzdem positiv bewertet werden. Ebenso sollten Rückpässe, die ein Schritt zur späteren Vorwärtsbewegung sein können, positive Werte erhalten. Durch die Betrachtung der Aktionen innerhalb einer Kette können wir diesen Kontext erfassen.
xGBuildup ist ähnlich wie xGChain, jedoch ohne die letzten beiden Aktionen (Schuss und Assist) einer Ballbesitzkette. So erhält ein Spieler für den Aufbau eines Angriffs eine Bewertung, auch wenn er nicht direkt am Schuss beteiligt war.
Positionsbasiert: xT - expected Threat
Die Basis für die Berechnung von xT (von Karun Singh) ist eine Übergangsmatrix, die auf Statistiken zu Schüssen, Toren und Aktionen (Pässe und Dribblings) über einen bestimmten historischen Zeitraum berechnet wird. Diese Matrix hilft, die Wahrscheinlichkeit eines Tores nach einer bestimmten Anzahl von Folgeaktionen zu schätzen. Jede Zelle der Matrix repräsentiert den xT-Wert für eine spezifische Zone auf dem Spielfeld, also die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen, wenn sich der Ball nach mehreren Aktionen in dieser Zone befindet.
Um den xT-Wert für einen Pass oder eine Bewegung des Balls von Punkt A nach Punkt B zu berechnen, zieht man den xT-Wert des Startbereichs vom xT-Wert des Zielbereichs ab. Beispiel: Ein erfolgreicher Pass vom Eckbereich in den Strafraum hat einen xT-Wert von 0.11–0.04 = 0.07. Der passgebende Spieler erhält somit 0.07 xT für diese Aktion. Die Chance ein Tor innerhalb der nächsten 5 Aktionen zu erzielen, hat sich somit um 7% erhöht.
Ein Nachteil gegenüber xGChain und xGBuildup ist, dass Rückpässe und Flügelwechsel nicht so gut oder negativ bewertet werden, da sie den Ball nicht näher ans gegnerische Tor bringen. Der Vorteil ist, dass jede Aktion bewertet wird und nicht nur Aktionen, die zu einem Schuss